Die Kaiserin aus Düsseldorf – Teil 1

Über Kindheit und Jugend der Eleonore Magdalena Theresia von Pfalz-Neuburg, der großen Schwester Jan Wellems

VON PETER HACHENBERG

Käme man auf die Idee, in Düsseldorf Passanten nach Eleonore Magdalena Theresia von Pfalz-Neuburg zu fragen, erhielte man wohl zumeist selbst von recht guten Kennern der Stadt allenfalls ein Kopfschütteln: Eleonore wer? Außer erfahrenen Hobby-Historikern und professionellen Geschichtsforschern hat sich wohl kaum jemand mit der großen Schwester des wiederum allseits mehr oder weniger gut bekannten Kurfürsten Johann Wilhelm II., genannt Jan Wellem, beschäftigt. Das will ich hier ein wenig nachholen, denn sie hat es in der Tat verdient: Eleonore Magdalena war nicht nur einfach die Gattin Kaisers Leopold I. (1640 – 1705), sie war sicherlich eine der profiliertesten Kaiserinnen, die das Heilige Römische Reich Deutscher Nation je hervorgebracht hat und die zudem auf die eine oder andere Weise immer mit ihrer Geburtsstadt Düsseldorf, nicht zuletzt mit ihrem Bruder Johann Wilhelm, in Verbindung blieb.

(© Stadtmuseum Landeshauptstadt Düsseldorf, SMD. B 31)

Die Geburt einer Kaiserin

Um zwei Uhr morgens am Dreikönigstag, dem 6. Januar 1655, hallt der kräftige Schrei eines Neugeborenen durch die fürstlichen Gemächer des Schlosses zu Düsseldorf. Ein Mädchen! Man wird es auf die Namen Eleonore, Magdalena und Theresia taufen. Der erste Biograph, der Jesuitenpater Franz Wagner, beschreibt schon 1721 im schönsten Barockdeutsch das Ereignis wie folgt: „Eleonora Magdalena Theresia sahe das erste Tag-Liecht zu Düsseldorff einer Haupt-Stadt des Bergischen Land und herrlichen Wohn-Sitz deren Pfaltz-Graffen Neuburgischen Stammens. Ihro Herr Vatter ware Philipp Wilhelm (…) Chur-Fürst und Pfalz-Graf bey Rhein, ein sehr kluger Herr und Zierde seines Deutschlands.“ (1)

Erinnern wir uns kurz: 1609 war der letzte Herzog von Kleve, Jülich und Berg, Johann Wilhelm I., kinderlos verstorben. Seine Schwester Anna hatte bereits 1574 den Pfalzgrafen von Neuburg an der Donau geheiratet, und das Haus Pfalz-Neuburg meldete nun seine Erbansprüche an, welche es 1614 endgültig durchsetzen konnte. So kamen die Bayern aus der Dynastie der Wittelsbacher von der Donau an den Rhein, und aus diesem Geschlecht stammte auch Eleonore Magdalenas Vater, Pfalzgraf und Herzog Philipp Wilhelm (1615 – 1690), ab 1685 zudem stolzer Kurfürst von der Pfalz. Schloss Neuburg diente der Familie selbstverständlich als weiterer Wohnsitz.

(Schloss Neuburg, Bild 1 und 3: Peter Hachenberg, Bild 2: Wikipedia)

Die Mutter der frischgeborenen Herzogin, Elisabeth Amalie von Hessen-Darmstadt (1635 – 1709), schneidet in der Beschreibung der Eltern durch den Jesuitenpriester wesentlich weniger vorteilhaft ab. Von ihr wird im gegebenen Zusammenhang eigentlich nur erwähnt, dass sie „zwar von Kindheit an Protestirender Religion anhängig, endlich Anno 1653 (…) zu der alten rechtglaubigen Religion ihrer Vorfahrer herüber getretten“ sei. (2) Anders hätte sie den streng katholischen Philipp auch wohl kaum heiraten können.

Dabei hätte der zum Zeitpunkt der Geburt noch neunzehnjährigen Elisabeth Amalie – so soll man meinen – jedes Lob gebührt, auf Eleonore Magdalena folgten sechzehn weitere Kinder, das dritte – zudem der erste Sohn und damit Nachfolger Philipps als Herzog und Kurfürst – kennt wohl jeder Düsseldorfer: Johann Wilhelm II., genannt Jan Wellem, 1658 geboren und mit seinem mächtigen Reiterstandbild vor dem Rathaus in der Altstadt sehr präsent.

Foto: Peter Hachenberg

Auf nach Neuburg!

Kaum ist die Nachricht von der Geburt Eleonores in Neuburg eingetroffen, verfasst der dortige Hofprediger und Jesuit Jacob Balde in lateinischer Sprache ein Gedicht auf die neugeborene Prinzessin, das „Elonorae geniale carmen“. Das im hymnisch-barocken Stil verfasste, mit vielen Verweisen auf die antike wie christliche Überlieferung versehene Gedicht enthält prophetische Zeilen zum künftigen Lebensweg Eleonores. Sie hat nämlich eine berühmte Namensvetterin: Eleonora Magdalena Gonzaga von Mantua-Nevers (1628- 1686), die Frau Kaiser Ferdinands III. So wie diese fürstliche Dame werde sich auch Eleonore Magdalena mit einem deutschen Kaiser vermählen. Der schon erwähnte Biograph Franz Wagner zitiert 1721 die entsprechende Strophe in deutscher Übersetzung wie folgt:

ELEONORA schickt von Mantuaner-Flüssen

Zu deiner kleinen Wieg ein gantze Schwanen-Schaar;

Dir Scepter, Purpur, Cron zu legen zu dein Füssen,

Auch vorzusagen dir viel höchst beglückte Jahr.

Daß umb dich werden viel becrönte Buhler werben;

Wen wirst in dieser Wahl zum Vatter machen wohl!?

Du wirst uns geben gleich ein Kayserlichen Erben;

Was Mantuen geglückt, Neuburg auch glücken soll. (3)

(Faksimile des Originals aus Wagner 1721, S. 20)

Im August 1655 macht sich Familie denn auch auf den Weg nach Neuburg, wo man um 10 Uhr abends eintrifft: Die Glocken läuten, die Geschütze donnern, die Straßen sind erleuchtet. Man zieht noch in die Hofkirche, wo die Hofmusiker das „Te Deum laudamus (Gott, wir loben Dich)“ anstimmen und der Chor der Jesuitengymnasiasten der fürstlichen Familie alles Glück und „zahlreiche Nachkommenschaft“ wünscht. (4)

Was die ab 1607/8 erbaute Neuburger Hofkirche betrifft, so ist sowohl in der äußeren Architektur wie in den wunderschön feinen Stuckarbeiten im Kircheninnern unschwer zu erkennen, dass sie das Vorbild für die etwa fünfzehn Jahre später begonnene Andreaskirche in Düsseldorf abgab, bei er es sich sozusagen um importierten, feinsten bayerischen Barock handelt.

Bild links – Andreaskirche: Wikipedia, Bild rechts – Hofkirche Neuburg: Peter Hachenberg

Bild links – Andreaskirche: Wikipedia, Bild rechts – Hofkirche Neuburg: Wikipedia

Frühe Erziehung

In Neuburg wird Eleonore wesentlich auch erzogen. Im Alter von etwa 6 Jahren (5) verfasst der Vater „mit eigener Hand ein schrifftliche Einrichtung, auf was Weiß (auf welche Weise) Eleonore ihre Tag-Stunden zubringen solle (…):

Ordnung der Stunden für die Eleonora

Sie solle zu Morgens, wann sie gesund ist, auffstehen um 7 Uhr; damit sie um 8 Uhr mit dem Kleyden und Betten fertig seye.

Umb 8 Uhr soll die Cammer-Frau in der Frantzösischen Sprach biß 9 Uhr ihre Stund haben.

Von 9 Uhr bis halber 11 solle Pater Ray profitiren (= Religion unterrichten).

Von halber 11 biß 11 dauret die Meß. Von 11 biß 12 Uhr isset man.

 Von 12 bis 1 Uhr kann sie sich recreieren.

Von 1 bis 2 Uhr solle sie tanzen. Von 2 biß 3 Uhr schreiben.

Von 3 biß 4 Uhr Pater Ray profitiren.

Von 4 biß 5 Uhr die Cammer-Frau in der Frantzösis. Sprach oder Catechismus.

Von 5 biß 6 Uhr Recreation. Von 6 bis 7 Uhr ist Essen-Zeit.

Von 7 biß 9 Uhr Recreation und dann zu Bett. Den Dienstag Nachmittag und den Donnerstag den gantzen Tag ist Spieltag, doch kan sie selbigen Tag wohl tantzen.“ (6)

Das nennt man wohl heute einen durchgetakteten Tag. Was den Französischunterricht betrifft, so erweist sich Eleonore als wahrhaft talentiert. Sie beherrscht die Sprache später in absoluter Perfektion. Der Biograph Wagner schreibt: „Damit auch ihr erworbene grosse Erfahrnus in Frantzösischer Sprach am besten angeleget wär, übersetzte sie allerhand Geistliche Büchlein aus diser in die hoch-teutsche Sprach, nicht ohne Zierlichkeit und sonderbahren Nutzen.“ (7) Von einer dieser „zierlichen“, ja charmant zu nennenden Übersetzungen, der Übertragung eines religiösen Erbauungsbüchlein des französischen Jesuiten Dominique Bouhours, wird im 2. Teil dieses Beitrags noch die Rede sein. Außerdem war sie ihrem künftigen kaiserlichen Gatten bei der Bewältigung französischsprachiger diplomatischer Korrespondenz mehr als nur eine Hilfe. Davon auch mehr in Teil 2.

Neben dem Französischen war sie zudem des Italienischen und Lateinischen vollkommen mächtig (8).  Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass sie eine musikalische Ausbildung genossen haben muss. In seiner Trauerrede vom April 1720 erwähnt der Regensburger Hofprediger Peter von der Weid, dass sie „auch in der Music nach der Kunst gesungen, componirt und die Orgel geschlagen“ habe. (9) In den späteren kaiserlichen Jahren erweist sie sich als große Musikliebhaberin mit einer besonderen Schwäche für die Oper, die Gegenstand lebhafter Korrespondenz mit ihrem Vater und ihrem Bruder Johann Wilhelm sein wird.

Übrigens ist es wieder die Mutter, die in der Biographie Wagners wenig schmeichelhaft geschildert wird. Während der Vater „die Tugend seiner Printzeßin vor andern auf das liebreichiste umarmete und schätzte“, so „ware doch die Pfaltz-Gräfin ihre Frau Mutter gegen selbiger desto wachsamer, ja in etwas allzu streng und hart. Keines aus ihren Kindern sahe sie so unfreundlich an als Eleonoram; die geringste Fehler, welche andere kaum vermercketen und andern unbestrafft durchgiengen, wurden in Eleonora hart verwiesen und zuweilen mit eigenen Mütterlichen Händen und Streichen gezüchtigt.“ (10)

Die Mutter soll also das Mädchen geschlagen haben, dazu noch ungerechtfertigt. Woher die offensichtliche Abneigung Wagners gegen Elisabeth Amalia rührt, die ja – wie schon erwähnt – ihrem Gatten Philipp die erwünschte Kinderschar gebar, bleibt unklar. Vielleicht muss sie als von den Jesuiten ohnehin eher misstrauisch betrachtete protestantische Konvertitin dafür herhalten, eine besondere Tugend schon der kleinen Eleonore herauszustreichen: ihre Sanftheit und unendliche Geduld, die sie befähigte, alle Arten von Leiden, selbst die willkürlicher und ungerechter Natur zu ertragen. So „suchte sie nicht mit einem Wörtlein, weniger mit Klagen und Thränen eine Milderung der ihro vorgesetzten Straff; ja pflegete zu denen Mütterlichen Füssen zu werffen, selbe zu küssen (…) und alle Besserung zu verheissen.“ (11) Womit wir auf gewisse Weise beim Thema Religiosität angekommen wären.

Die fromme Eleonore

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass schon die junge Prinzessin ein tiefgläubiger Mensch war, in ihrem Fall natürlich tiefgläubig katholisch. Ihre besondere Frömmigkeit wird in der Überlieferung durch katholische Geistliche immer wieder herausgestellt, gewiss mit Übertreibungen und legendenhaften Zügen. Bei Wagner liest sich das schon für die früheste Kindheit z.B. so:

„Als sie das 4. Jahr erreichete, erbickte sie einmahls in einem Carmelitercloster Christi des am Creutz hangenden blutige Wunden, da fienge sie vor zarten Mitleyden bitterlich zu weinen an, setzte sich unter dem Creutz auf den Boden, und als sie um Ursach ihres Weinens gefragt wurde: solle ich nicht Weinen, sprache sie, welche ich wohl bekleydet (gut bekleidet), und unverwundet meinen Herren am Creutz nackend und bloß, zerfleischt und mit häuffigen Blut überrunnen ansihe.“  (12)

Man mag den Wahrheitsgehalt solcher und ähnlicher Geschichten für eher gering halten, festzuhalten bleibt in jedem Fall, dass tägliches, oft stundenlanges Gebet und mehrfacher Besuch der Messe, geistliche Lektüre und stetige Gewissenserforschung das Leben der Prinzessin bestimmten. (13) Möglicherweise kam es bereits in ihren frühen Jugendjahren zu Praktiken, die auf die eher dunklen Seiten ihrer tiefen Gläubigkeit deuten.

In seiner Trauerrede zum Tode der Kaiserin im Regensburger Dom berichtet der Jesuit und Domprediger Peter von der Weid: „Ihren Jungfräulichen, zarten, jungen, edlen, Fürstlichen Leib hat Sie alle Freytag, als Sie 12 Jahr worden, mit Disciplin, Cilicien zu Ehr und Gedächtnuß des allerheiligisten, bitteristen Leyden und Sterbens Christi Jesu gezüchtiget, in tieffsinniger andächtiger Erwegung, daß eben Christus von unsertwegen den gantzen Tag gegeißlet worden.“ (14)

Im gleichen Sinne äußert sich, ebenfalls in einer Leichenpredigt 1720, von der Weids Kollege in Innsbruck. Zunächst erwähnt er die Fastenpraxis Eleonores, um dann über die Selbstbestrafung zu sprechen: „Daß Sie so richtig an allen Vor-Abenden deren Mutter Gottes Festen in Wasser und Brodt gefastet hat: Daß Sie so richtig schon vom zwölfften Jahr her Ihres Alters Sich daran (an den Vorabenden zu den Festen der Mutter Gottes PH) gegeißlet und das Cilicium getragen hat.“ (15)

In beiden Fällen scheint schon von einer wirklichen Selbstauspeitschung die Rede zu sein. Erwähnt wird auch das sog. „Cilicium“ (Plural: Cilicien), auch als „Büßerhemd“ bekannt. „Cilicium ist die Bezeichnung für einen groben Stoff oder ein Hemd aus Ziegenhaar oder Ähnlichem, das aus asketischen Gründen oder zur Buße unter der Kleidung direkt auf der Haut getragen wurde.“

Beispiel für ein Cilicium

Von der Weid benennt auch den eigentlichen Zweck solcher Praktiken: Die Unterordnung des Leibes unter den Geist. Leonore habe „Ihren Leib gecasteyet (kasteit), (…), das Fleisch also dem Geist unterthänig gemacht.“ (16) Wir werden noch sehen, wie solche Praktiken in ihrem späteren Leben, besonders nach dem Tod des kaiserlichen Gatten, extreme Formen annahmen.

Bei den Karmeliterinnen in Düsseldorf

Es verwundert daher nicht, dass sich die junge Frau besonders angezogen fühlt von den Schwestern des Ordens der „Unbeschuhten Karmeliterinnen (alternativ: Karmelitinnen)“, deren vollständiger Name „Unbeschuhte Schwestern des Ordens der Allerseligsten Jungfrau Maria vom Berge Karmel“ lautet. Es „war ihr Freud und Vergnügen, wann Sie die Erlaubnuß erhielte, sich auf eine Zeit mit denen Carmelitterinen, welche zu Düsseldorf waren, zu verschließen; dahin sie sie sich auch sehr offt und unvermerckt, nur von einer Dienerin begleitet, begabe.“ (17) Wer waren diese „Carmelitterinnen“? 1641 kamen die ersten Schwestern des Ordens nach Düsseldorf und siedelten sich direkt gegenüber der damaligen Stiftskirche, der heutigen Lambertuskirche, an. Das Gelände sollte später das Theresienhospital – heute eine Luxuswohnanlage – mit der Josefskapelle beherbergen.

Theresienhospital, Foto: Quedenfeld 1915

„Die unbeschuhten Karmeliterinnen sind der strengste Frauenorden der Kirche“, so der exzellente Kenner der Ordensgeschichte, Franz Ludwig Greb (18). Einer der jungen Damen, die dort aufgenommen werden sollte, wurde vor Augen geführt „was es bedeutet, statt seidener grobe Stoffe zu tragen, nie wieder im Leben Fleisch zu essen, Hunger und Frost zu ertragen, nur in Sandalen zu laufen und nicht in einem Bett, sondern auf einem Strohsack zu schlafen.“ (19) Das Kloster war „eine Stätte des Gebets und der ständigen Selbstaufopferung. In der Nachfolge Christi wollten die Schwestern stellvertretend sühnend das Volk in Stadt und Land versöhnen.“ (20) Die Zahl der Chorschwestern war auf 18 beschränkt (21), aufgenommen wurden nur Töchter des Adels und des gehobenen Bürgertums, die allesamt eine „standesgemäße Ausbildung, vor allem Beherrschung der lateinischen Sprache“ nachweisen mussten. Laienschwesten für die „groben“ Arbeiten gab es nur wenige. (22)

Dorthin begibt sich also Eleonore häufiger, wenn sie sich in Düsseldorf aufhält. Lassen wir wieder den Biographen zu Wort kommen, der berichtet, dass sie sich bei ihren Besuchen aufführte „als eine von denen Geistlichen Schwestern, in keiner Sach als in der puren Kleydung von selbigen unterschieden.“ (23) Da sie keine Nonne ist, kann sie natürlich nicht in der Ordenstracht der Karmeliterinnen auftreten, sondern trägt wohl ihre Alltagskleidung, über die weiter nichts gesagt wird.

Unbeschuhte Karmeliterinnen

Während des Kirchgangs verhält sie sich vorbildlich: „Wann die Schwestern einen Bußgang in die Kirchen anstellten, da gesellte sich Eleonora unter die Letzteren, und mit geschlossenen Händen, mit zur Erde geschlagenen Augen verbliebe sie unbeweglich bey dem gantzen Gottes-Dienst.“ (24)

Auch an den Mahlzeiten der Schwestern nimmt sie teil und versieht Hilfsdienste: „Sie würdigte sich öfters mit denen Schwestern so wol die gemeine schlechte Speise zugenüssen (zu genießen) als auch dieselbe aufzutragen, zu Tisch zu dienen, und erst hernach die aller letzte, mit dem was über geblieben ware, verlieb (vorlieb) zu nehmen.“ (25)

Benrather Erziehungsregeln

Am 15. September 1672, erlässt die gestrenge Mutter Elisabeth Amalia auf Schloss Benrath für die bereits 17jährige Prinzessin zwölf Erziehungsregeln, die der Hofdame, Freifrau von Spiering, ausgehändigt werden. (26) Schloss Benrath, heute im Süden des Stadtgebiets Düsseldorfs, war in den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts im Stil der Renaissance an der Stelle einer alten Wasserburg als Jagd- und Sommerschloss der fürstlichen Familie erbaut worden. Etwas mehr als hundert Jahre später wurde der Bau durch das jetzige Barockschloss ersetzt.

Das alte Schloss Benrath

Die erste Regel der Instruktionen besagt, dass die Prinzessin sich immer so verhalten möge, „wie es einer tugentsamen fürstlichen Princessin wohl anstehet“. Sollten hier wider Erwarten Probleme entstehen, so sei dies der Mutter zu „hinterbringen“. Die Hofdame habe darauf zu achten, dass Eleonore Magdalena morgens und abends ihr Gebet „mit geziemender andacht und devotion verrichte“, so die zweite Regel. Außerdem, so wird in weiteren Regeln ausgeführt, müsse sie sich „zur rechten Zeit“ zur Ruhe begeben und solle sich mit solchen Dingen, „die fürstl. Princessinen woll anständig“ befassen, als da wären Sprachen, Lesen, Tanzen und „schöner Arbeit“, vermutlich Handarbeiten. Eleonore müsse auf ihre Gesundheit achten und dürfe keinesfalls Medizin ohne Heranziehung „Ihrer Hochfürstlichen Leib Medici“ einnehmen. (27)

Der gesellschaftliche Umgang der jungen Fürstin wird genau geregelt. Audienzen bei der Prinzessin sind nur über die Hofdame zu erlangen, handelt es sich um bedeutende Persönlichkeiten, muss zudem die Mutter ihr Einverständnis geben. Ohne deren Erlaubnis darf Eleonore nicht „ausgehe[n], noch sonsten etwaß, so von erheblichkeit ist, vornehmen“. Weitere Verhaltensregeln umfassen den Umgang mit der Dienerschaft, also auch den Kammerdienerinnen. (28).

Für Leo Peters, der die Regeln 2009 im Freiherrlich von Spieringschen Archiv im Rathaus von Wegberg (Kreis Heinsberg) entdeckt hat, legt die Instruktion die Annahme nahe, „dass die spätere Kaiserin zeitweise unter Aufsicht ihrer Hofmeisterin in Benrath und/oder im Düsseldorfer Schloss lebte.“ (29)

Das wird wahrscheinlich so sein, zumindest haben wir ja die bereits erwähnten Besuche bei den Düsseldorfer Karmeliterinnen. Genaueres wissen wir freilich nicht. Aber mit ihren 17 Jahren ist Eleonore nun ins heiratsfähige Alter gerückt und wird eine ganz andere Reise antreten, nur vier Jahre später an der Seite des Kaisers nach Wien. Von dort wird sie eine umfangreiche Korrespondenz mit ihrem Vater und ihrem Bruder im Düsseldorfer Schloss führen. Nicht zuletzt davon wird im zweiten Teil dieses Beitrags die Rede sein.

Anmerkungen

(1) Wagner S. 5, Kaps S. 9

Zur Person des Biographen Wagner siehe: Keller 2019

Alle Seitenangaben zu Wolfgang Kaps beziehen sich auf die unter „Literatur“ angegebene PDF in der Fassung vom Februar 2015. Der Neuburger Heimatforscher liefert in seiner Übersicht eine wahrhaft beeindruckende Materialfülle.

Die Seitenangaben bei Wagner beziehen sich auf die Kapitelseiten ab: „Von dem Leben und den Tugenden Eleononorae Magdalenae Theresiae“

Ein knapper, aber präziser Artikel über Eleonores Jugend in englischer Sprache, der seine Informationen aus Kaps zieht, findet sich unter: https://www.historyofroyalwomen.com/eleonore-magdalene-of-neuburg/eleonore-magdalene-of-neuburg-the-obedient-daughter-part-one/  (13.08.21), Letzter Abruf: 11.11.23

(2) Wagner S. 5

(3) Wagner S. 20, Kaps S. 10 ff

(4) Kaps S. 19 f

(5) Kaps S. 21, Anm. 37

(6) Wagner S. 22, Kaps S. S. 21 f

(7) Wagner S. 29

(8) Ihre guten Sprachkenntnisse werden in der Literatur durchgängig erwähnt, z.B. Kaps S. 21

(9) Weid S. 18, Kaps S. 22

(10) Wagner S. 25

(11) Wagner S. 26, vergl. auch Kaps S. 29

(12) Wagner S. 23, Kaps S. 23, S. 22 ff mit weiteren Beispielen

(13) Zusammenfassend Kaps S. 21

(14) Weid S. 11

(15) Holderriedt, S. 49

(16) Weid S. 11, Kaps S. 26

(17) Wagner S. 30

(18) Greb S. 45

(19) ebd.

(20) ebd.

(21) Greb S. 29

(22) ebd.

(23) Wagner S. 30

(24) Wagner S. 31

(25) ebd.

(26) Peters 2010, Kaps S. 26 ff

(27) Alle Zitate aus Peters S. 321 f., Kaps 27 f.

(28) wie Anm. 27

(29) Peters S. 318

Literatur

Greb, Franz Ludwig: Die Geschichte des „Karmelitessenklosters“, in Edmund Spohr (Hrg.), Das Theresienhospital. Ein Stück Düsseldorfer Stadtgeschichte 1288 -1980, Düsseldorf (Triltsch) 1980, S. 29 – 60

Holderriedt Jacob: Eisenes, silbernes, güldenes Kayserthumb in dreyfachem Reich, von Eleonora Magdalena Theresia, Weyland Gecrönten Römischen Kayserin ect. Heiligmässig auf Erden geführt bei Hochfeyerlicher Leich-Besingnuß Ihrer Majestät …; Innsbruck 1720, Digitalisat Bayrische Staatsbibliothek: http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10320245-1

Kaps, Wolfgang: Eleonore Magdalena (Theresia) von Pfalz-Neuburg (1655 – 1720), https://www.pfalzneuburg.de/wp-content/uploads/2010/03/EleonoreMagdalena1.pdf (Stand Februar 2015 von der Webseite: www.pfalzneuburg.de)

Keller, Katrin: Der Biograph der Kaiserin, https://kaiserin.hypotheses.org/1121  (12.05.2019), Letzter Abruf: 11.11.23

Peters, Leo: „… wie es einer tugentsamen fürstlichen Princessin wohl anstehet …“. Die in Schloss Benrath 1672 festgelegten Erziehungsregeln für die spätere Kaiserin Eleonore Magdalena (1655-1720); in: Düsseldorfer Jahrbuch 80, 2010, S. 317 – 323

Wagner, Franz: Leben, Und Tugenden Eleonorae Magdalenae Theresiae, Römischen Käyserin, Wienn in Oesterreich 1721, Digitalisat Bayrische Staatsbibliothek: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10375953?page=,1

Weid, Peter von der: Spititus Principalis, Das ist: Fürstlicher, allzeit Großmüthiger Tugendgeist, In Eleonora Magdalena Theresia, Weyland Römischer Kayserin … Da Ihrer Majestät Leich-Begängnuß In der Regenspurgisch-Hochfürstl. Domstiffts-Kirchen bei herrlichen Traur-Gerüst den 10. 11. und 12. April dises lauffenden 1720; Regenspurg 1720, Digitalisat Bayrische Staatsbibliothek: http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10320250-0

© Dr. Peter Hachenberg 12.11.23